Die Ausgangssituation
Freitagabend. Sie suchen den Autoschlüssel, den Sie bei Ihnen zuhause verlegt haben. Sie müssen am Montag zur Arbeit. Ohne den Autoschlüssel geht es nicht. Es gibt keine Transport-Alternative.
Vorausgesetzt, Sie finden den Schlüssel erst am Sonntagabend, was meinen Sie, haben Sie das ganze Wochenende gemacht? Ja, klar! Sie haben nach dem Schlüssel gesucht.
Oje, wären Sie doch gleich etwas achtsamer gewesen. Dann hätten Sie sich das alles erspart! Vermeintlich.
Die Achtsamkeit
Die Achtsamkeit geht gerade wie ein Hype durch die „intelligente Businesswelt“. Alle wollen achtsam sein. Worum geht’s? Um mehr Kontrolle im Alltag. Unternehmen buchen Trainingsprogramme um zigtausend Euro, damit sie ihre Mitarbeiter etwas achtsamer hinbekommen. Eine edle Motivation steht dahinter – den Mitarbeitern zu helfen, weniger Fehler zu machen, und den Alltagsstress am Arbeitsplatz zu reduzieren.
Funktioniert das wirklich?
Auf den ersten Blick scheint die Achtsamkeit eine Fähigkeit zu sein, mehr davon mitzubekommen, was um einen herum passiert. Diesem Wunsch widerspricht die Natur entschieden. Sie hat uns nicht umsonst mit einem Bewusstseinsfilter ausgestattet. Reizüberflutung ist eine echte Gefahr für das Gehirn. Mehr Stress kann also nicht weniger Stress bringen.
Achtsamkeit ist, wenn Sie mehr davon mitbekommen, was in Ihnen passiert, und nicht um Sie herum.
Abstand nehmen, sich entspannen und neu sortieren, im Kopf ausmisten, Entscheidungen treffen, neue Ziele setzen und go! – lautet das Rezept.
Damit Sie das aber machen können, müssen Sie sich zuerst um die Stressfaktoren kümmern und nicht um die Achtsamkeit. Das heißt: hinsehen. Auf die eigenen Schwächen, hinsehen.
Erkennen Sie, was ist.
Es gibt einen bestimmten Grund, warum Sie einst entschieden haben, nicht hinzusehen. Vielleicht gefällt Ihnen ja Ihre Realität nicht. Mit sich ins Reine zu kommen, kostet Kraft und Zeit. Und was haben gestresste Menschen nicht? Kraft und Zeit! Ein Teufelskreis.
Zurück zum Schlüssel
Sie haben nun den Schlüssel gefunden. Was noch? Jede Menge. Den Apfelkern unter der Couch, die eine Socke hinter der Waschmaschine, die Spinnweben in den Ecken und ein wenig Kleingeld in der Schublade.
Wollten Sie all diese Dinge finden? Nein. Warum haben Sie sie gefunden?
Na, weil Sie auf der Suche waren, vollkommen egal, wonach.
Sie sehen plötzlich Dinge, die Sie noch nie gesehen haben, obwohl sie schon immer da waren.
Mehr Informationen = bessere Lösungsmöglichkeiten.
Ein bisschen Kopf-Magie
Immer, wenn Sie Ihrem Kopf eine Suchaufgabe geben, also hinsehen und sich auf diese Aufgabe fokussieren, wird Ihre Achtsamkeit automatisch hochgefahren. Soll heißen:
erkanntes Problem = mehr Achtsamkeit = Lösungssuche = gesetztes Ziel = noch mehr Achtsamkeit!
Sie brauchen mehr Achtsamkeit, weil Sie die Chance, etwas in Ihrem Leben zu ändern, erst dann bekommen, wenn Sie erkennen, dass Sie ein Problem haben, und wenn Sie versuchen, herauszubekommen, was das für ein Problem ist, und sich auf die Lösungssuche begeben.
Zusätzliche Erkenntnis
Sie bekommen ein Problem (der Schlüssel war weg). Sie suchen nach einer Lösung (alles durchwühlt). Sie tun etwas anderes, als Sie sonst am Wochenende tun. Das ist der Weg raus aus den alten Gewohnheiten. Probleme sind gut:
erkanntes Problem = mehr Achtsamkeit = Lösungssuche = gesetztes Ziel = noch mehr Achtsamkeit = mehr Selbstdisziplin = gelöstes Problem = besseres Leben!
Lehre, die wir daraus ziehen können
Wer nicht hinsieht, bekommt einen Tritt – schön verpackt in ein Problem – in seinen Allerwertesten. Um die Kooperationswilligkeit etwas zu erhöhen.
Und? Sehen Sie regelmäßig hin? Denn das Problem kommt. Das ist nur eine Frage der Zeit.
Merken Sie was? Sie müssen nicht achtsam sein, um Achtsamkeit zu üben. Sie müssen nicht disziplinierter sein, um Selbstdisziplin zu üben. Sie müssen nur ein Problem haben und sich auf die Lösung stark fokussieren. Haben Sie ein Problem? Das ist gut!
Ich muss Sie trotzdem warnen: Wenn Sie hinschauen, werden Sie alles sehen können. Auch das, was Sie nicht sehen wollen. Anfänglich erzeugt das kein gutes Gefühl. Das ist der Preis für die Achtsamkeit und die Selbstdisziplin.
Aber wissen Sie was? Wenn ein Elefant in Ihrem Garten die schönsten Blumen platttrampelt und Sie einfach nicht hinsehen wollen, weil der Elefant zu groß ist und Ihnen Angst macht, werden die Blumen trotzdem kaputt. Und ein Elefant kommt selten allein.
Also, räumen Sie jetzt in Ihrem Kopf mit der Achtsamkeit und Selbstdisziplin auf!
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Mein Versprechen
Ein lebenswertes Leben, das sich wahrzunehmen lohnt.
Autorin: Maia Egger